Vor fünfundzwanzig Jahren, im Dezember 1989, erhoben sich die Menschen in Rumänien gegen das Regime des nationalkommunistischen Diktators Ceausescu. Es war ein blutiger Aufstand, der einzige derartige gegen eine Diktatur in Osteuropa. Mehr als tausend Menschen starben damals, doch bis heute wurden nur wenige Mörder und Befehlsgeber zur Rechenschaft gezogen.
Ausgerechnet in diesem Jubileumsjahr, das deshalb immer noch von schmerzlicher Aktualität ist, hat Rumänien wieder eine Art Volksaufstand erlebt – diesmal zum Glück einen friedlichen: Als die rumänischen Wähler Klaus Johannis zum Staatspräsidenten wählten, war das in erster Linie ein Aufstand gegen eine zutiefst korrupte und moralisch völlig verkommene Staatselite – ein Klüngel aus ehemaligen Ceausescu-Kadern und Securitate-Offizieren, neureichen Parteibonzen und selbstherrlichen Lokalfürsten, die Rumänien regieren wie Feudalherren. Bestechung, blanker Wahlbetrug und eine schmutzige, nationalistische Kampagne – nichts hat diese Elite unversucht gelassen, um ihren Kandidaten, den Regierungschef Victor Ponta, durchzubringen.
Vergebens. Es waren am Wahltag vor allem die Bilder von den kilometerlangen Schlangen rumänischer Wähler im Ausland, die viele Menschen daheim wachrüttelten. Diese Wähler im Ausland, die über viele Stunden vor Botschaften und Konsulaten anstanden, um ihre Stimme abgeben zu können, was vielerorts dann doch nicht möglich war – diese Wähler haben auch dem gesamten Rest Europas eine beispiellose und eindrückliche Lektion in Demokratie, Bürgersinn und Freiheitswillen erteilt. Und sie haben die Ehre ihres Landes und seiner Menschen wieder hergestellt: Rumänien steht für mehr als für eine korrupte Elite, und seine Emigranten sind keine Sozialbetrüger.
Nicht nur das macht die Wahl von Klaus Johannis zu einem historischen Ereignis. Während vielerorts in Europa Populisten und Nationalisten auf dem Vormarsch sind, hat eine deutliche Mehrheit der Rumänen für einen Angehörigen einer nationalen Minderheit gestimmt, der noch dazu nicht der orthodoxen Mehrheitsreligion angehört. Gerade in seiner Eigenschaft als Rumäniendeutscher hat Johannis eine unschätzbare Chance: Er kann den Rumänen, unter denen viele ihr eigenes Land mit Widerwillen betrachten, ein Gefühl der Würde und des Stolzes zurückzugeben, ohne in jenen primitiven Nationalismus zu verfallen, den die derzeitigen Machthaber pflegen.
Klaus Johannis verspricht einen radikalen Wandel: Kampf gegen Korruption, mehr Transparenz, mehr Bürgernähe und mehr Anstand. Er selbst hat diese Versprechen als Bürgermeister von Hermannstadt schon eingelöst. Doch es darf bezweifelt werden, dass ihm dieser radikale Wandel auch für ganz Rumänien gelingt – zu oft schon wurde er versprochen und scheiterte dann. Aber vielleicht gelingen ihm einige weniger groß bemessene Vorhaben, zum Beispiel, dass der Diskurs der politischen Elite ein etwas kultivierteres Niveau erreicht. Das wäre schon radikal genug.