Frau C. hatte einen Pkw der Marke D**** geerbt, so benannt nach der Provinz, welche römische Legionen vor zweitausend Jahren auf dem Territorium unseres schönen Landes eingerichtet hatten. Gegen die Römer hatten die Ureinwohner der Provinz lange heldenhaft gekämpft, waren dann aber ruhmlos gescheitert. Etwas Ähnliches galt auch für jenen D**** von Frau C. Der Name des Autos sollte an die glorreiche Geschichte erinnern. In Wahrheit hätte jener Wagen der berühmten Serie 1310 einem Kfz-Mechaniker zur Langzeitvorbereitung auf die Meisterprüfung dienen können. Doch davon ahnte Frau C. nichts, denn sie besaß keine Fahrerlaubnis.
Nach der Erbschaft beschloss sie, diese zu machen. Die Theorie bestand sie. Während der ersten Fahrstunden erkannte sie jedoch, dass sie eigentlich verloren war, wenn sie die Regeln einhielt. Das Wichtigste im Verkehr unserer schönen Hauptstadt war eine laute Hupe, die besonders da eingesetzt wurde, wo es überhaupt keinen Anlass zum Hupen gab. Vorfahrtsregeln zu beachten, war eine Sache der Gefälligkeit, an Zebrastreifen musste Gas gegeben werden, Abbiegen und Überholen gerieten zu einer modernen Form des Duells.
Bremsflüssigkeit im Kühler
Bis zur Prüfung hielt Frau C. dem Anpassungsdruck stand. Sie fuhr nach allen Regeln – und fiel durch. Das hatte aber nichts mit ihrer völlig korrekten Prüfungsfahrt zu tun. Der prüfende Polizist hatte alle durchfallen lassen, die ohne Geschenke erschienen waren.
Zum Glück verdiente Frau C. recht gut, außerdem betrieb ihr Vater Landwirtschaft. Auf Anraten ihres Fahrlehrers brachte sie neben einem Bündel Geldscheine zum nächsten Termin ein Spanferkel und Pflaumenschnaps mit. Dafür musste sie eine gerade, leere Straße bis zum Ende und zurück fahren. Sie bestand. Als sie ihre Fahrerlaubnis bei der Verkehrspolizei abholen wollte, sagte ihr eine Dame am Empfangsschalter, sie könne entweder ganz normal Schlange stehen, was mehrere Stunden dauern könne, oder aber direkt zu jenem Schalterbeamten gehen, bei dem es schneller ginge. Sie verstand und tat das nach ihrer Meinung einzig Räsonable.
Bereits kurze Zeit, nachdem Frau C. vollwertige Verkehrsteilnehmerin in unserer schönen Hauptstadt geworden war, stellte sie fest, dass ihr Wagen immer neue Probleme hatte. Mal sprang er umstandlos an, mal quälte sie den Anlasser, bis die Batterie den Geist aufgab. Schließlich erklärte ihr jemand, dass sie nach einer nebligen oder regnerischen Nacht den Deckel des Verteilers abtrocknen müsse. Das funktionierte. Vieles andere nicht. Die Heizung und die Geschwindigkeitsanzeige schalteten sich nach dem Zufallsprinzip ein. An manchen Tagen kochte der Kühler, an anderen wurde das Wasser gar nicht warm. Nach kurzer Zeit kannte Frau C. alle Kfz-Mechaniker ihrer Gegend. Der Wagen bekam desto mehr Probleme, je öfter er in der Werkstatt war. Nach einer Überholung des Motors hatte ein Mechaniker vergessen, Getriebe und Motorblock zusammenzuschrauben, dann wechselte jemand die Bremsen falsch aus, sodass sie die Räder blockierten. Immerhin, der Wagen fuhr auch noch, nachdem jemand Bremsflüssigkeit in den Kühler gekippt hatte.
Ein Bündel Geldscheine klärte die Schuldfrage
Irgendwann hatte auch Frau C. die Verkehrsregeln unserer schönen Hauptstadt verinnerlicht. Einmal wollte sie eine Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung entlang fahren, um den Weg abzukürzen. Das war so üblich, und daran hatte auch der Umstand nichts geändert, dass die Schilder mit dem Einbahnstraßen-Symbol irgendwann ausdrücklich mit dem Wort „Einbahnstraße“ beschriftet worden waren. Sowieso waren viele Schilder einfach nur nach dem Muster der Schilder in allen anderen Ländern kopiert worden, schließlich sollte es in der Welt nicht heißen, dass unsere schöne Heimat wieder einmal Sonderwürste brate. Die Schilderkonvergenz musste ja nicht gleich dazu führen, dass man sämtliche patriotischen Traditionen der Art und Weise der Schilderinterpretation aufgab.
Bevor Frau C. auf traditionelle Weise in die Einbahnstraße abbiegen konnte, nahm ihr ein beleibter Geländewagen die Vorfahrt und verbeulte ihr Erbstück. Ein Polizist untersuchte den Vorfall und den Unfallort. Als der Geländewagenfahrer ihm ein Bündel Geldscheine zusteckte, war die Schuldfrage geklärt. Der Polizist wollte Frau C. mit einer Geldstrafe und zwei Monaten Entzug der Fahrerlaubnis belegen. Doch dann verzichtete er. Denn Frau C. steckte ihm die Hälfte der Geldstrafe zu und brachte später eine Gans, einen Sack Maismehl, eine Palette Eier und fünf Liter selbstgebrannten Pflaumenschnaps aufs Revier.